Bonusszene:
Der letzte erste Kuss:
Gespräch zwischen Elle & Sadie

Hinweis: Diese Bonusszene kann Spoiler enthalten! Bitte erst lesen, wenn du Der letzte erste Kuss gelesen hast!
Diese Szene findest du in gekürzter, abgewandelter Form in Der letzte erste Kuss. Das hier ist die unkorrigierte längere Erstfassung!

Elle

Wasserdampf füllte das Bad und hüllte mich in einen warmen Nebel, als ich einige Stunden später aus der ebenerdigen Dusche trat. Ich hatte noch mehr als genug Zeit, um mich für die Party zurechtzumachen, aber da Luke nach dem Aufwachen sofort zu einer Joggingrunde aufgebrochen war, wollte ich das Bad bei seiner Rückkehr nicht unnötig belegen. Dass dieser Kerl seine Sportsachen immer und überall dabeihatte, gruselte mich nach wie vor, wunderte mich aber schon lange nicht mehr.

Ich ging zum Spiegel, wischte den Dampf mit der Hand weg – und zuckte zusammen, als ich hinter mir ein vertrautes Gesicht erkannte.

»Sadie! Was zur Hölle …?« Im letzten Moment packte ich das Handtuch, bevor es mir vor Schreck runterfallen konnte. »Hast du das Wasser nicht gehört?«

»Doch.« Gespielt unschuldig zuckte sie mit den Schultern, aber hinter dieser zuckersüßen Miene verbarg sich ein kleiner Teufel. »Ich hatte allerdings gehofft, Luke beim Duschen zu überraschen.«

Sprachlos starrte ich meine Schwester an, die unverfroren zurück grinste. In ihrem weißen Sommerkleid mit den blassgelben Punkten wirkte sie jünger als ich.

»Was denn? Ich bin zwar verlobt, aber sicher nicht blind.«

»Oh mein Gott.« Allein der Gedanke daran, dass sie Luke unter der Dusche hätte erwischen können … Ahh, diese Bilder in meinem Kopf! Ich schüttelte mich.

Sadie lachte auf. »Das war ein Scherz, Schwesterchen. Ich habe Luke getroffen, bevor er zum Laufen gegangen ist.«

Gott sei Dank. Aber das erklärte nicht, warum sie sich ins Badezimmer schlich, um mich wie das tote Mädchen im Spiegel eines Horrorfilms zu erschrecken.

»Ich wollte kurz allein mit dir sprechen«, erklärte sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

Bis auf heute Vormittag hatte ich Sadie nicht mehr gesehen, obwohl ich gerne den restlichen Tag mit ihr verbracht hätte. Ganz besonders nach dem netten Gespräch mit unserer Mutter. Aber Sadie war den ganzen Tag von A nach B gefahren, um jedes Detail für die Feier zu organisieren, da sie darauf bestanden hatte, alles selbst vorzubereiten, die Blumen selbst auszusuchen, das Menü zusammen mit dem Catering auszuwählen und noch viel mehr. Dass sie überhaupt noch Lust auf diese Party hatte, statt todmüde im Bett zu liegen, überraschte mich aufs Neue.

»Du willst jetzt mit mir reden?«, wiederholte ich ungläubig. »Im Bad? Wenn ich nackt bin?«

»Dann zieh dir was an.«

Seufzend drehte ich ihr den Rücken zu und griff nach der sauberen Unterwäsche, die ich mitgenommen hatte, um sie überzustreifen. Mit einem Handtuch trocknete ich mir das Haar, dann warf ich es neben das Waschbecken und griff nach der Bodylotion. Sadie setzte sich auf den Badewannenrand und schwieg noch immer. Sie schwieg sogar so lange, bis ich glaubte, sie würde nie damit herausrücken, was ihr auf dem Herzen lag.

»Also … Luke, hm?«, begann sie mit einem wissenden Lächeln. Ich stöhnte innerlich, bevor sie ihre eigentliche Frage überhaupt stellen konnte. »Ist es was Ernstes? Es muss ernst sein, wenn er den ganzen Weg hergefahren ist, um bei dir zu sein.«

Oder er war einfach nur ein guter Freund. Aber das konnte ich Sadie gegenüber nicht erwähnen, also nickte ich bloß, während ich mir das rechte Bein eincremte.

»Was?«, fragte ich, als sie mich nur weiterhin erwartungsvoll anstarrte.

»Ich will Details hören!«, platzte sie heraus. »Wie habt ihr euch kennen gelernt? Und wann? Wie war euer erstes Date? Wie seid ihr zusammengekommen? Und das Wichtigste: Wie ist er im Bett?«

»Oh mein Gott.« Ich konnte gar nicht anders, als zu lachen. Gleichzeitig machte sich ein bittersüßes Ziehen in meinem Brustkorb bemerkbar. Ich hatte solche Momente mit meiner Schwester vermisst. Sadie war die Einzige, die mir wirklich nahestand. Mit Brianna und Libby hatte ich inzwischen so gut wie keinen Kontakt mehr. Aber Sadie war immer etwas Besonderes für mich gewesen und es tat weh, dass unsere Freundschaft unter dem Konflikt zwischen Mom und mir litt. »Du magst ihn, was?«

Sie nickte. »Ich kenne ihn zwar noch nicht lange, aber er scheint cool zu sein. Und heiß. Er passt perfekt zu dir.«

»Wow. Danke für diese brillante Persönlichkeitsanalyse.«

Sadie streckte mir die Zunge raus. »Verrate mir wenigstens, wie ihr euch kennen gelernt habt.«

»Er hat mich an meinem ersten Tag am College umgerannt.«

»Nicht dein Ernst!«

Grinsend cremte ich mir das andere Bein ein. »Doch. Er war gerade beim Lauftraining, hat mich nicht gesehen und … boom!«

»Liebe auf den ersten Blick?«

»Blaue Flecken auf den ersten Blick.«

»Er hat dich nicht aufgefangen?«

»So schnelle Reflexe hat nicht mal Luke. Und während er da noch stand und auf der Stelle joggte, habe ich den Boden geknutscht.«

Sadie kicherte und hielt sich schnell die Hand vor den Mund.

»Das ist nicht witzig!«, protestierte ich. »Ich hatte noch Wochen später Blutergüsse und Schürfwunden an den Knien und Händen. Meine erste Woche am College und ich sah aus wie ein Kleinkind, das nicht richtig laufen kann.«

Jetzt hielt sie nichts mehr. Sadie warf den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. »Oh, das ist so gut! Hat er dich wenigstens auf einen Kaffee eingeladen?«

»Hat er.« Grummelnd verteilte ich die Lotion auf meinen Armen. »Aber ich habe ihn abserviert.«

»Was? Wieso das denn?«

Ich warf ihr einen zweifelnden Blick. »Vielleicht, weil er mich keine zwei Minuten vorher wie ein Nashorn zu Boden getrampelt hat?«

»Aber … wie ging es dann mit euch weiter?«

Ich schob die Lotion zurück in meine Kulturtasche und griff nach der Bürste. »Kurz darauf haben wir uns auf einer Party wiedergesehen.«

»Ohh …«

Ein Blick auf Sadie genügte, um zu wissen, welche Situation sie sich gerade ausmalte. Und die war meilenweit von der Realität entfernt. Denn statt lange Blicke, heiße Tänze und wildes Herumknutschen hatte es nur viel zu viel Alkohol und einen neuen Freund gegeben, der mir beim Kotzen die Haare hochhielt.

»Ich mag eure Kennenlernstory.« Sadie lächelte aufrichtig. »Du solltest sie nachher auf der Party erzählen. Ich bin sicher, die anderen sind genauso begeistert wie ich.«

Irgendwie bezweifelte ich das. Ich konnte es geradezu vor mir sehen, wie Mom eine Augenbraue in die Höhe zog und missbilligend mit der Zunge schnalzte. Nein, danke.

»Da ist noch was …«, begann Sadie nach einigen Sekunden des Schweigens, in denen ich mit den vielen kleinen Knoten in meinem feuchten Haar kämpfte.

»Was denn?«

»Mom.«

»Oh.« Wäre ich nicht so vom Ziepen an meiner Kopfhaut abgelenkt gewesen, hätte ich auch von selbst draufkommen können. Ich legte die Bürste beiseite und griff nach einem grobzinkigen Kamm. »Du hast uns gehört, oder?«

Sie nickte.

»Tut mir leid, was ich da wegen dir und Daniel angedeutet habe. Ich war nur so …« Ich zuckte mit den Schultern. »So wütend auf Mom.«

»Schon gut.« Sadie atmete tief durch. »Ich weiß, wie sie sein kann. Und es stimmt: Sie hat Daniel und mich miteinander bekanntgemacht. Aber selbst wenn ich ihre Beweggründe kenne, könnte ich ihr nicht böse sein. Ich bin glücklich. Daniel macht mich glücklich.«

Ich drehte mich zu ihr um und erkannte, dass sie die Wahrheit sagte. Ihre Augen strahlten und sie schien von innen heraus zu leuchten, wenn sie von ihrem Verlobten sprach. Vielleicht war es nur die erste Verliebtheit, vielleicht etwas Tieferes zwischen den beiden. Ich war der letzte Mensch, der das beurteilen oder darüber richten konnte.

»Das freut mich, Sadie. Das freut mich wirklich für dich.«

Sie nickte begeistert, doch nach und nach wurde ihr Lächeln weniger. »Was sie über Luke gesagt hat, war nicht fair. Aber du kennst doch Mom … Es braucht einiges, um sie zu überzeugen, und noch mehr, um sie für sich zu gewinnen.«

Ein guter Familienname, ein Adelstitel oder ein Haufen Geld könnten dabei helfen.

»Ich glaube«, begann Sadie zögerlich. »Ich glaube, sie ist noch immer nicht darüber hinweg, dass du dich von Colin getrennt hast.«

Ich hielt inne. In meinen Bewegungen, in meiner Atmung. Nur das Pochen in meinem Brustkorb nahm zu, wurde so schnell und hart, dass es den ganzen Raum erfüllte. Ich räusperte mich und zwang mich dazu, mein Haar weiter zu kämmen. »Das mit Colin und mir hätte niemals funktioniert.«

»Warum nicht?«

»Er war mein bester Freund.« Und lange Zeit der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich hatte ihm mehr wehgetan als irgendjemandem sonst. Mom war nur frustriert, weil sie seine Familie nicht an unsere binden konnte. Manchmal glaubte ich, sie hatte nur deshalb vier Töchter zur Welt gebracht, um sie möglichst gewinnbringend zu verheiraten. »Ich bin sicher, Mom wird einen anderen Weg finden, ihren Lieblingsschwiegersohn in spe in unsere Familie einzugliedern. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn Briannas Töchter alt genug sind.«

Im Spiegel konnte ich sehen, wie Sadie das Gesicht verzog. »Das ist nicht witzig, Elle.«

»Das war auch kein Witz.«

Wenn es jemanden gab, dem ich solch ein manipulatives Verhalten zutraute, dann war es unsere Mutter.

Ich starrte mein Spiegelbild an. Auf der einen Seite hatte ich mein Haar bereits durchgekämmt, die andere war noch ein wildes Durcheinander. Meine Wangen waren von der Dusche und Wärme hier drinnen gerötet und unter meinen Augen lagen Ringe, weil die letzte Nacht nicht so erholsam gewesen war, wie sie es sein sollte, wenn man nach Hause kam.

Ich drehte mich zu Sadie um, als nichts mehr von ihr kam. Die Belustigung in ihrer Miene war einer sorgenvollen Stirnfalte gewichen.

»Hast du ihn geliebt …?« Die Frage war so leise, dass ich sie kaum wahrnahm. Dafür bemerkte ich ihren mitfühlenden Gesichtsausdruck umso deutlicher.

»Nein.« Ich musste nicht darüber nachdenken, aber ich tat es trotzdem, horchte in mich hinein und suchte nach einem Funken von … irgendetwas. Colin war immer nur ein Freund für mich gewesen. Ein großer Bruder, mit dem ich aufgewachsen war und auf den ich mich hatte verlassen können – bis wir einander im Stich gelassen hatten. »Colin und ich waren Freunde. Damals hatte ich keine Ahnung, was Liebe überhaupt ist.«

»Was ist mit Luke? Liebst du ihn?«

Die Frage traf mich unvorbereitet. Natürlich liebte ich Luke auf eine gewisse Weise, schließlich war er mein bester Freund. Er und Tate waren die ersten Menschen, die ich anrief oder denen ich textete, wenn irgendetwas passiert war. Ganz egal, ob es sich dabei um etwas Gutes oder Schlechtes handelte. Sie waren meine Familie, genau wie der Rest unserer Clique. Die Vorstellung davon, dass wir alle in ein, zwei Jahren getrennte Wege gehen würden, jagte mir eine höllische Angst ein.

»Redet ihr über mich?«, meldete sich auf einmal eine vertraute Stimme.

Luke stand breitbeinig in der Tür. Sein T-Shirt war durchgeschwitzt und sein Haar klebte feucht an seiner Stirn. Trotzdem schien er kaum außer Atem zu sein.

»Ja.« Sadie reagierte als Erste. »Und nein, du wirst nicht erfahren, worüber wir gesprochen haben.«

Luke schnaubte amüsiert. »Oh ja, ihr zwei seid eindeutig Schwestern.«

Sadie und ich lächelten uns verschwörerisch zu, dann ging sie zur Tür. »Ich muss mich auch noch fertigmachen. Mom dreht durch, wenn ich zu meiner eigenen Verlobungsparty zu spät komme. In zwanzig Minuten draußen auf der Terrasse, ja? Kommt nicht zu spät, sonst fangen wir ohne euch an. Wobei, wenn ich es mir recht überlege …«, fügte sie hinzu und blickte bedeutungsvoll zwischen Luke und mir hin und her. »Lasst euch Zeit. Ich lege ein paar Häppchen für euch zur Seite.«

Und damit schob sie sich an Luke vorbei und ließ uns allein zurück.

Luke wartete, bis wir die Zimmertür zufallen hörten, bevor er fragend die Brauen hochzog. »Hat sie gerade vorgeschlagen, was ich denke, das sie vorgeschlagen hat?«

»Jepp.«

»Sadie ist eindeutig mit dir verwandt. Bei deiner Mom bin ich mir da nicht so sicher.« Kaum ausgesprochen, zog er sich das T-Shirt über den Kopf. Sein Oberkörper war braungebrannt, weil er im Sommer oben ohne trainierte, dennoch waren die Ränder seines Trainingsshirts als feine Linien auf seinen Oberarmen zu erkennen. Als er meinen Blick bemerkte, wanderten seine Mundwinkel in die Höhe. »Bleibst du, um dir die Show anzusehen?«

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